Als Schüler auf einem Forschungsschiff mitfahren? Klingt unmöglich? Nein, das ist es definitiv nicht. Im April reichte ich zusammen mit zwei Freundinnen eine Projektskizze beim Meereswettbewerb ein. Unsere Idee: Die Widerstandsfähigkeit von Bakterien in der Nordsee im Hinblick auf den Klimawandel untersuchen. Auf der einen Seite fanden wir unsere Idee total spannend, auf der anderen Seite merkten wir schnell, dass wir viel mehr Wissen bräuchten, um diese umzusetzen.
Aber genau das ist die Chance des Meereswettbewerbs. Anfang Juni kam die Zusage: Wir dürfen eine Woche auf der ALDEBARAN, einem kleinen Forschungsschiff, mit Unterstützung einer Wissenschaftspatin zu unserem Thema forschen. Die Freude war riesig, trotzdem konnte ich mir nicht so richtig vorstellen, was es heißt, eine Woche auf einem 13,5 Meter langen und 4,5 Meter breiten Schiff zu wohnen.
Jetzt – um diese Erfahrung reicher – kann ich sagen: Es ist der Wahnsinn! Am Anfang ist es sehr ungewohnt, dass alles permanent schaukelt, aber wir hatten am ersten Tag zum Glück Zeit, uns langsam einzugewöhnen und auch noch ein bisschen was von Hamburg, wo wir losfahren sollten, zu sehen.
Hamburg war auch direkt unser erster Probeentnahmeort. Wir nahmen jeweils eine Wasserprobe an der Oberfläche und, wo möglich, auch in 10 Metern Tiefe und bestimmten wichtige Umgebungseigenschaften wie Temperatur, Sichttiefe und Salinität. An unserem Labortisch, der direkt neben der Küchennische stand, verdünnten wir unsere Wasserproben, strichen sie auf Nähemedien mit verschiedenen Salzgehalt aus, die wir wiederum bei verschiedenen Temperaturen lagerten, und zählten am selben Abend, nach einem und nach zwei Tagen, wie viele Bakterienkolonien gewachsen waren.
Auch sonst ist auf dem Schiff alles sehr kompakt. Es gibt vier Schlafkojen mit je ein oder zwei Betten, von denen jede aber auch noch eine andere Funktion hat, um den Platz optimal zu nutzen. So sind in jeder Wand und unter jedem Bett Fächer für wissenschaftliche Materialien, Rettungswesten, aber auch Gebrauchsmaterialien wie Kabelbinder. Die kleine Schiffstoilette darf, um Wasser zu sparen, nur in dringenden Fällen auf der Fahrt benutzt werden. Der größte Raum dient gleichzeitig als Küche, Labor und Aufenthaltsraum. Da es die gesamte Woche sehr warm war, aßen wir aber eigentlich immer draußen und entspannten uns auch sonst in freien Minuten gerne auf dem Deck.
Von Hamburg aus fuhren wir in der ersten Etappe nach Glücksstadt. Die erste Lektion: Beim Fahren alle Luken zu! Bei sperrangelweiter Luke verirrte sich nämlich das Wasser einer Welle auf unseren Matratzen, die daraufhin auf dem Deck trocknen müssten. Da wir bei der Probenentnahme noch nicht so routiniert waren und uns auch ein Kamerateam vom NDR bei allem über die Schulter schaute, war diese Etappe relativ stressig. Auf der anderen Seite war es eine interessante Erfahrung bei allem von der Kamera begleitet zu werden und eine wichtige Komponente, um Wissenschaft nach außen zu tragen.
Die nächste Etappe von Glücksstadt nach Neuwerk war nicht nur die längste sondern auch die aufregendste. Auf Grund der Gezeiten sind wir um 5 Uhr morgens losgefahren und kamen pünktlich zum Frühstück am Zufluss des Flusses Oste an, wo wir einige Stunden Pause einlegen mussten, da das Wasser bei Ebbe zu flach zum Fahren ist. Allein während des Frühstücks war es spannend zu beobachten, wie das Wasser permanent steigt, Sandbänke auftauchen und wieder verschwinden, Wellen brechen und sich das Wasser wieder glättet. Die Pause nutzten wir, um in der Elbe zu baden. Da die Strömung extrem stark war, hielten wir uns an einem Seil hinten am Boot fest. Gegen Mittag ging es weiter über Cuxhaven, wo wir kurz den Wassertank auffüllten, Richtung Neuwerk. Neuwerk ist eine kleine Insel, die bei Ebbe mitten im Watt liegt. Da das Wasser bei der Hinfahrt sehr flach war, waren wir nicht die Einzigen, die zwischendrin mal auf den Grund liefen. Während das Andere nicht davon abhielt, ins Wasser zu springen und ihr Boot abzuschieben, warteten wir einfach auf höheres Wasser, was wunderbar funktionierte und weniger anstrengend war.
Neuwerk hat nur eine Hand voll Anlegeplätze, so dass wir einfach vor der Insel ankerten. Auch so etwas Luxeriöses wie eine Dusche gibt es am „Hafen“ von Neuwerk nicht. Ein mitternächtliches Bad in der Nordsee oder das Abspritzen mit dem schiffseigenen Schlauch tut es aber auch. Die Ruhe, die allein von Windrauschen und Möwen kreischen durchbrochen wurde, gleicht den fehlenden Luxus sofort wieder aus und machte Neuwerk zum schönsten Ort der Tour, um sich an Deck in den Schlafsack zu kuscheln und in die Sterne zu gucken.
Am nächsten Morgen war dann alles Wasser weg und wir lagen auf dem Trockenen, was wir für einen Spaziergang im Watt und auf die Insel nutzten. Das Wasser war aber schnell wieder da und es ging weiter nach Bremerhaven. Die Wellen waren hier auf der offenen Nordsee so hoch, dass wir während der Fahrt unsere genommenen Proben nicht weiter verarbeiten konnten. Das Platten Auszählung verschob sich so auf späte Stunden zwischen 22 und 23:30 Uhr. Aber auch das gehört zur Mikrobiologie dazu.
Die letze Etappe führte uns nach Bremen, wo wir am Max Planck Institut für marine Mikrobiologie, wo unsere Wissenschaftspatin promoviert, Untersuchungen durchführten. Nach der letzten Nacht auf dem Wasser und einer abschließenden Pressekonferenz mussten wir dann auch schon den Heimweg antreten.
Die Zeit auf dem Wasser war in mehrerer Hinsicht eine spannende Reise: Eine Reise in die Natur, weil wir Tag und Nacht auf, mit und im Wasser gelebt haben (und zwischendrin auch das Handynetz nicht funktionierte). Eine Reise aus der Komfortzone heraus, weil manche Nächte sehr heiß, manche Matratzen zwischenzeitlich nass und manche Duschen etwas gewöhnungsbedürftig waren. Eine Reise in die Freiheit, weil man im Prinzip fahren kann, wohin man will und wohin Wind und Gezeiten es gerade zulassen (und auch dementsprechend spontan sein muss). Eine Reise hinter den Horizont, weil mir das Meer und meine Mitreisenden (vor denen man sich auf einem engen Schiff nicht drücken kann) so manche neuen Perspektiven eröffnet haben. Und vor allem eine Reise in die Unendlichkeit, weil diese Erfahrungen mich weitertragen und weil wir so viele Daten gesammelt haben, die darauf warten ausgewertet zu werden.
von Clara Deifel, Teilnehmerin des Meereswettbewerbs 2018